Montag, 20. April 2015

In Demut steckt auch Mut | Schreibzeit im April

Ich weiß nicht, wie Bine von waseigenes es immer wieder schafft, dass sie Themen "erwischt", die mich zur Zeit auch beschäftigen. Ihr neues Schreibzeit-Thema lautet

Demut


Mir schossen sofort tripzehntrilliarden Gedanken durch den Kopf. Gleichzeitig war ich mir nicht sicher, ob ich zu diesem Thema tatsächlich einen sinnvollen Beitrag zustande bekommen würde, eben weil es so vielfältig und komplex ist. Also begann ich einfach mal drauflos zu schreiben. Und siehe da: Vieles, worüber ich mir in den letzten Tagen und Wochen Gedanken gemacht habe, fügte sich unter diesem Begriff Demut zu einem großen Gesamtbild zusammen. Der Text ist in mehreren Tagen entstanden und gewachsen, denn die Auseinandersetzung mit einem so ernsten Thema hat mich zugegeben auch einiges an Kraft und Hirnschmalz gekostet.

Ich verspüre manchmal Wehmut, Trauer und auch Wut, wenn ich "uns Menschen" so betrachte. Wenn ich mir mal wirklich genauer anschaue, wie wir leben, wie wir mit unserer Welt umgehen, wie wir denken und handeln. Meistens blendet man das ja eh aus, weil man bis zum Hals in seinem eigenen Alltag und in seiner kleinen individuellen Welt drinsteckt. Aber manchmal in einer der ruhigen Minuten, wenn ich Zeit zum Nachdenken habe oder wenn ich die Nachrichten sehe oder wenn ich einen interessanten Artikel lese, dann weitet sich auf einmal wieder der Blick auf diese seltsame Menschheit, die wir sind. Ganz, ganz vieles von dem, was da draußen so alles schief läuft, was aber genauso bei jedem einzelnen im Kleinen schief läuft, kann man auf eine Ursache zurückführen:

Uns fehlt die Demut!


Das Wort Demut hat oft so einen negativen, leicht fahlen Geschmack ganz hintem am Gaumen. Man sieht vor dem inneren Auge den devoten Knecht, der buckelt, wenn er von oben Prügel bekommt, der alles über sich ergehen lässt, der sein Selbstwertgefühl an den mächtigen Herren abgibt und es von ihm mit Füßen treten lässt. Auch viele der Synonyme zu diesem Begriff Demut, die der Duden angibt, bewegen sich auf den ersten Blick in diesem negativen Bedeutungsbereich: "Opferbereitschaft", "Ergebung", "Devotion", Humilität"...

Ich denke, dass der Begriff Demut und damit auch die Tugend der Demut in der Geschichte der Menschheit oft missbraucht wurde, damit einzelne ihren Willen und ihre Ziele durchsetzen konnten. Manche nutzten die Gottesfürchtigkeit und die Loyalität der Menschen aus, um noch mächtiger und reicher zu werden. Sie gaben vor, ebenso gottesfürchtig und demütig zu sein, nur um ihr Untergebenen weiter unterdrücken zu können.

Demut ist oft nur geheuchelte Unterwürfigkeit.
Francois VI. Duc de La Rochefoucauld

Vielleicht hängt diese negative Konnotation aber auch mit dem Wort "Demütigung" zusammen, in dem die Demut ja auch vorkommt. Demütigung wird als eine "schwere Kränkung" oder "Herabwürdigung" definiert. Eine gewaltsam erzwungene Demut also, die nicht freiwillig stattfindet. Womöglich liegt hier der eigentliche Knackpunkt: Demut ist eben nicht gleich Demütigung, doch im allgemeinen Verständnis fehlt diese Differenzierung oft.

Der Duden beschreibt Demut als eine "in der Einsicht in die Notwendigkeit und im Willen zum Hinnehmen der Gegebenheiten begründete Ergebenheit". Man muss diese Beschreibung mehrfach lesen, finde ich, um zu realisieren, was wirklich gemeint ist. In diesen paar Worten stecken so viele sehr wichtige Gedanken drin. Es geht um die "Einsicht der Notwendigkeit" und "den Willen zum Hinnehmen". Ein geprügelter und gedemütigter Knecht ist keine Notwendigkeit und diese Behandlung entspricht sicher nicht seinem Willen. Der Aspekt der "Gegebenheit" verdeutlicht, dass es sich um eine Situation handelt, die der jeweils Betroffene nicht beeinflussen oder verändern kann. Man ergibt sich einer Situation, von der man einsieht, dass sie notwendig ist und die man willentlich hinnimmt - und die man ohnehin nicht beeinflussen kann.

Die meiste Demut ist Feigheit.
Bernhard Steiner

Bedeutet das nun, dass man alles, was im Leben nicht gut läuft, unter dem Deckmantel der demütigen Hinnahme durchwinken soll? Ich finde nein, denn Demut ist nicht die Ausrede für Desinteresse oder Trägheit. Demut ist nicht gleichbedeutend mit Resignation! Man soll natürlich Ziele haben und nach Veränderung streben.

Aber Demut entbindet uns auf der anderen Seite auch von einer ständig auf uns lastenden Verantwortung. Wir fühlen uns heute immer für alles verantwortlich. Wir müssen alles planen, alles lenken, alles optimieren, alles im Griff und unter Kontrolle haben... Das ist nicht nur unglaublich belastend und ermüdend, sondern auch schlicht unmöglich!

Demut ist der Mut, hilflos zu sein.
Anke Maggauer-Kirsche

Ein Beispiel aus jüngster Vergangenheit: Orkan Niklas, der neulich über Deutschland hinweggefegt ist, unzählige Bäume umgeknickt, Gebäude, Autos, Zäune etc. beschädigt, den Bahnverkehr in einigen Bundesländern komplett lahmgelegt, Menschen verletzt und leider auch ein paar das Leben gekostet hat. Es wurde frühzeitig und eindringlich vor der Schwere des Orkans gewarnt. Die Warnungen des Deutschen Wetterdienstes sagten sogar, man solle nach Möglichkeit zuhause bleiben und das Haus während des Orkans nicht verlassen. Mir kam frühmorgens beim Lesen dieses Satzes in meiner Wetter-App ein kurzes spöttisches Lachen über die Lippen. Mal ehrlich - wenn ihr eurem Arbeitgeber sagen würdet "Ich bleib heut daheim, weil der Wetterdienst sagt, es ist bei dem Orkan gefährlich draußen", wie sähe wohl die Reaktion aus? Zwischen "Sie haben bei der Arbeit zu erscheinen" über Spott bis hin zu "Na, dann müssen Sie halt Urlaub nehmen" wäre wohl alles dabei - aber auch Verständnis? Oder gibt es gar Arbeitgeber, die ihren Mitarbeitern sagen: "Dieser Orkan ist höhere Gewalt, da können wir nichts machen. Ihre Sicherheit ist uns wichtiger als unser Profit, also bleiben Sie bitte zuhause." Es wäre interessant zu erfahren, ob es in Deutschland auch nur EINEN Arbeitgeber gibt, der bei dem Orkan so gehandelt hat. Ich kann es mir leider nicht vorstellen und aus sicht der Unternehmen ist es ja irgendwie auch ein bisschen nachvollziehbar, denn die haben auch einen gewissen Leistungsdruck.

Demut ist schließlich nichts als Einsicht.
Herrmann Bahr

Unser Leben ist so getaktet, so geplant, so kontrolliert. Man erwartet an jeder Ecke, dass wir flexibel sind - flexibel, um Überstunden zu machen, flexibel, um neue und zusätzliche Aufgaben zu übernehmen - aber eigentlich sind wir in unserer gesamten Gesellschaftsstruktur extrem unflexibel. Der Alltag muss laufen. Das Geschäft muss laufen. Show must go on! Der verantwortungsbewusste Arbeitnehmer fährt durch den Orkan zur Arbeit. Die LKW-Fahrer fahren ihre Touren, obwohl an dem Tag schon zig andere LKWs durch Windböen von den Autobahnen gefegt wurden. In der Memminger Innenstadt hat der Wochenmarkt ganz normal stattgefunden. Es gäbe unzählige Beispiele. Als ich an dem Niklas-Tag zur Arbeit gefahren bin, hab ich so vor mich hingedacht: "Wir modernen Menschen sind schon echt ganz schön bescheuert!" Früher hätten die Leute ihr Zuhause gesichert und hätten dort gewartet, bis der Orkan vorbei ist. Kein Mensch wäre auf die Idee gekommen, bei so einem Wetter aufs Feld zu gehen, einen Markt abzuhalten oder mit der Kutsche durch einen Wald zu fahren.

Demut ist das Gewahrsein einer höheren Macht.
Andreas Tenzer

Uns fehlt heutzutage die Demut, solche Gegebenheiten hinzunehmen und uns ihnen zu ergeben. Uns fehlt die Demut vor der Macht der Natur - und genau deren Übermacht lässt uns doch immer wieder spüren, wie klein und verwundbar wir eigentlich sind. Wenn ein Schiff im Sturm untergeht, wenn ein Erdbeben einen halben Kontinent verwüstet oder eine Flutwelle ganze Landstriche wegwischt...dann spüren wir, dass wir eben nicht alles kontrollieren und bestimmen können. Und doch fällt es uns so schwer, das zu akzeptieren und hinzunehmen. Und genau diese Ignoranz und Arroganz verstärkt das Drama oft noch um ein Vielfaches. Weil wir Warnungen ignorieren, weil wir keine oder nicht ausreichende Sicherheitsvorkehrungen treffen, weil wir glauben, die Situation doch beherrschen zu können. Weil wir hochmütig sind - das Gegenteil der Demut!

Ich muss sagen, dass ich höchsten Respekt vor der Deutschen Bahn habe, weil sie an dem Orkantag den Zugverkehr in einigen Bundesländern komplett eingestellt hat. Für das Unternehmen ist das ein enormer Tiefschlag, ein Verlust von Einnahmen, von Image, von Kundenzufriedenheit. Die Leute waren stinksauer, weil sie festsaßen, die Bahn wurde von vielen Seiten kritisiert. Und doch haben die Verantwortlichen meiner Meinung nach absolut richtig gehandelt. Sie haben erkannt, dass sie in so einer Situation nicht die Verantwortung tragen können und wollen für das, was "da draußen" in diesem Orkan passiert. Sie haben sich nicht hochmütig über die Gegebenheiten gestellt, sondern haben demütig angenommen, dass sie sich der Situation ergeben müssen. Und sie haben mit dieser Einsicht und der daraus resultierenden Entscheidung, den Bahnverkehr einzustellen, womöglich einige schlimme Bahnunfälle mit Verletzten oder gar Toten verhindert. Davor ziehe ich meinen imaginären Hut!

Demut ist die Bescheidenheit der Seele.
Voltaire

Für mich persönlich hat Demut auch die Bedeutung von Respekt und Ehrfurcht - nicht im Sinne von Scheu, sondern vielmehr eine hohe Achtung vor etwas oder jemandem. Ich erkenne zum Beispiel voller Demut/Hochachtung, was für ein unglaubliches Wissen und was für ein unbeschreibliches kompositorisches Talent James Barnes hat. Ich blicke voller Demut auf das, was unsere Großeltern-Generation nach dem Krieg geleistet hat, um das Land wieder aufzubauen. Und ich empfinde eine große Ehrfurcht/Demut vor der Schöpfung. Und damit will ich das nicht mal mit einem religiösen Glauben verknüpfen. Denn auch unabhängig von einer Konfession oder von dem Glauben an die biblische Schöpfungsgeschichte kann man demütig auf das blicken, was auf unserer Welt existiert. Wem das Wort Schöpfung nicht passt, der kann es vielleicht einfach als "das Leben" bezeichnen. Demut vor dem Leben. Achtung für die Pflanzen und Geschöpfe auf dieser Welt - für Tiere und für unsere Mitmenschen. Doch der Mensch an sich neigt leider zur Hochmut. Und der Übergang von dem Drang nach Forschung und Wissen zum Missbrauch dieses Wissens und zum "Gott-Spielen" ist leider oft fließend.

Um das klarzustellen: Ich bin beindruckt von dem, was zum Beispiel unsere Medizin mittlerweile bewirken kann. Früher waren die Menschen oft schon bei den kleinsten Krankheiten zum Sterben verdammt. Früher haben kleine Wehwechen schon schlimmes Leiden verursacht. Wir haben heute viele großartige Möglichkeiten, seien es z.B. "nur" die grundsätzlichen hygienischen Voraussetzungen oder die allgemeine Lebenserwartung. Aber wir bekommen nicht genug, wir akzeptieren keine Grenzen und werden hochmütig. Wir wollen besser funktionierende Herzen, leistungsstärkere Muskeln, schönere Lippen... Wir verlieren die Demut und die Achtung vor dem natürlichen Leben. Und die Grenzen sind fließend. Es ist wunderbar, dass man heute Haut transplantieren kann, um Brandopfern zu helfen - es ist fürchterlich, dass sich manche Leute aus purer Eitelkeit die Lippen/Brüste/Pobacken aufspritzen und Falten mit Nervengift wegspritzen lassen. Es ist wunderbar, dass man kinderlosen Eltern heute durch In-Vitro-Fertilisation (künstliche Befruchtung) eine Schwangerschaft ermöglichen kann - es ist grausam, dass man unperfekte, behinderte Kinder bereits im Embryonenstadium "aussortieren" kann. Es ist wunderbar, dass wir heute die Möglichkeiten haben, ein langes Leben zu führen und sehr alt zu werden - aber es ist auch schrecklich, wie verzweifelt wir manche Menschen mit allen Mitteln am Leben halten, anstatt ihnen zu erlauben, dass sie sterben dürfen.

Das alles liegt so nah beieinander. Ich denke mir so oft: Uns fehlt die Achtung vor dem Leben. Vor dem, was ist wie es ist. Wir wollen die Kontrolle, die Macht, die Verantwortung. In vielen Fällen funktioniert es und bringt uns Gutes. Aber in vielen Fällen hat es auch fatale Folgen.

Demut ist das Gegengift des Stolzes.
Voltaire

Wir züchten uns Pflanzen und Tiere, die viel Ertrag bringen. Zum Beispiel Sonnenblumen, die viel Öl liefern, aber unsere Bienen nicht mehr ernähren können. Oder Nutztiere, die schnell und mit viel Fettgewebe wachsen, aber krank und daher medikamentenverseucht sind. Wir betreiben Raubbau an unserer Natur, behandeln unsere Nutztiere wie den letzten Dreck und gehen davon aus, dass das immer so weiter gehen kann.

Wir haben die Demut vor dem verloren, was uns am Leben hält. Demut als eine Form der Dankbarkeit. In alten Kulturen gab/gibt es Rituale, in denen sich die Menschen voller Ehrfurcht und Demut bei der Natur oder sogar bei dem erlegten Tier bedanken, weil es ihnen das (Weiter)Leben ermöglicht. Wir sperren unsere Tiere in winzige Käfige, mästen sie in Rekordzeit, töten sie mit Bolzenschussgeräten und verarbeiten sie mit der Motorsäge...
Wir feiern sogar heute noch Erntedank, vergiften aber die Natur mit überzüchtetem Saatgut und chemischen Pestiziden. Wir stopfen unsere Erde voll mit radioaktivem Müll, von dem wir WISSEN, dass er noch hunderte von Jahre lange extrem gefährlich ist und unseren Nachfahren eine schwere Bürde aufbindet. Wir begradigen Flüsse, roden Wälder, bauen riesige Städte, vernichten Lebensräume und maßen uns an, dass wir das Recht dazu haben.

Bei der Messe zur Osternacht war auch die Schöpfungsgeschichte aus dem Buch Genesis Teil der Lesung. Vor allem Kapitel 1, Vers 28 und 29 hat mich in diesem Moment sehr wehmütig gemacht:

28 Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alles Getier, das auf Erden kriecht.
29 Und Gott sprach: Sehet da, ich habe euch gegeben alle Pflanzen, die Samen bringen, auf der ganzen Erde, und alle Bäume mit Früchten, die Samen bringen, zu eurer Speise.


Wie gesagt, ich will das ganze Thema nicht auf eine theologische Ebene bringen, aber mir kam in diesem Moment einfach der Gedanke: "Wenn Gott das gewusst hätte, was heute so auf der Erde passiert - ob er uns dann wohl auch diese Macht gegeben hätte? Ob er irgendwo "da oben" traurig über das ist, was wir aus seinem Geschenk und seinem Auftrag gemacht haben?"
Ganz ehrlich: WIR sind der böse Herr, der die Erde wie einen Knecht behandelt und prügelt. WIR erwarten, dass die Erde das alles in Demut hinnimmt. Von dieser Seite sind wir wiederum ganz große Profis mit der Demut...

Ich könnte hier ewig weitermachen, noch viele Beispiele aufzählen, wo uns Menschen meiner Meinung nach die Demut fehlt, wo wir uns nach und nach selbst die Lebensgrundlage nehmen. Ich habe ja noch nicht mal mit dem Schul- und Arbeitsleben angefangen, mit unserer Online-Sucht, mit unserer Unfähigkeit zur Selbstversorgung. Ich hab noch nicht mal das Szenario angesprochen, wie wir plötzlich ohne Strom und ohne Internet dastehen würden... Wir gehen einfach davon aus, dass der tolle Status Quo bestehen bleibt. Dass wir so immer weitermachen können. Wie heißt es so schön: "Hochmut kommt vor dem Fall!" Doch ich will hier nicht weiter drauf herumreiten. Dieser Beitrag soll ja kein depressives Weltuntergangsszenario sein.

Stattdessen möchte ich noch einen positiven Bogen in diesem ganzen Thema schlagen. Ich möchte die Frage stellen: Wie können wir - jeder einzelne - in unserem kleinen Wirkungskreis und in unserem direkten Umfeld mit der nötigen Portion Demut etwas Positives bewirken? Wo kann uns Demut im Alltag helfen?

Demut ist die Grundlage aller Tugenden.
Konfuzius

Ein positives Synonym für Demut ist die "Hingabe". Ich denke, in dem wir uns einer Sache mit Hingabe widmen, wenn wir uns einer Situation hingeben, dann erhalten wir uns selbst die Fähigkeit zur Demut. Ich habe den Eindruck, Hingabe ist etwas, das unserer modernen Welt immer mehr verloren geht. Wir haben Skills, wir spezialisieren uns und haben Fachgebiete, wir haben total tolle und abgefahrene Hobbies - aber führen wir das wirklich mit Hingabe aus? Zielen die Fachgebiete nicht auf eine Gehaltserhöhung ab, suchen wir mit den Hobbies nicht in erster Linie Zerstreuung oder wollen mit ungewöhnlichen Freizeitaktivitäten vor allem andere beeindrucken? Aber wann haben wir zum letzten Mal wirklich etwas mit Hingabe gemacht? Ich glaube, dass vor allem Kindern dazu noch am ehesten in der Lage sind - wobei auch sich auch diese Fähigkeit in unserer seltsamen Welt viel zu schnell verflüchtigt. Aber wenn man mal beobachtet, mit welcher Hingabe ein Kind eine Matsch-Suppe zubereitet oder die Puppenhaare bürstet oder ein Bild malt... Wann haben wir Erwachsenen für sowas (im übertragenen Sinne natürlich) noch Zeit/Ruhe/Geduld/Muße? Wann geben wir uns einer Situation wirklich hin? Meistens sind wir doch in Gedanken schon wieder drei Schritte voraus.

Ein anderes Beispiel: Nehmen wir an, wir selbst oder unser Kind ist krank. Eine schwere Erkältung vielleicht. Wir können an der Sache nicht viel ändern oder die Krankheit aktiv kontrollieren. Aber wir können uns der Situation hingeben und das Beste daraus machen. Damit meine ich, dass wir uns selbst nicht quälen, indem wir funktionieren wollen bzw. indem wir das Kind zur Schule schicken, weil ja gerade eine ach so wichtige Klassenarbeit ansteht. Wir sollten aktzeptieren, dass es jetzt halt einfach so ist. Wir sollten uns die nötige Ruhe gönnen bzw. dem Kind die nötige Zuwendung und Pflege geben. So verstehe ich Demut.

Demut ist die Fähigkeit, auch zu den kleinsten Dingen des Lebens emporzusehen.
Albert Schweitzer

Demut hat für mich auch eine Verbindung zur Achtsamkeit. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir viel achtsamer durchs Leben gehen sollten. Und das eine achtsame Wahrnehmung uns automatisch eine gewisse Demut verspüren lässt. Wenn ich meine (Um)Welt, meine Mitmenschen, die Natur und die Lebewesen mit offenem Herzen und großer Achtsamkeit betrachte, dann kann ich so vieles wahrnehmen, was mir im schnelllebigen Alltag, in unserer egoistischen Scheuklappen-Gesellschaft sonst entgeht. Zum Beispiel blicke ich demütig auf die Kreuzspinne, die an unserem Gartenzaun ihr filigranes und doch so stabiles Netz spinnt. Oder darauf, wie ein Baumstamm um einen Felsvorsprung herum zum Licht wächst.

Das Leben ist eine große Lektion in Demut.
Sir James Matthew Barrie

Leider neigt der Mensch zum Hochmut. Das führt dazu, dass er erst einmal richtig auf der Nase landen muss, um etwas einzusehen oder zu lernen. Das zeigt die Geschichte immer wieder. Egal, welche Fehler die Generationen vor uns gemacht haben - oft genug lernen wir daraus absolut gar nichts, sondern machen die gleichen Fehler wieder. In einer anderen Zeit, in einem anderen Land, vielleicht technisch abgewandelt - aber es sind die gleichen Fehler.  Doch Hochmut ist nicht nur in der Weltgeschichte und Weltpolitik der Ursprung vielen Übels. Das lässt sich auch alles auf uns einzelne Menschen herunterbrechen. Traurigerweise halten wir uns oft für so überlegen, unverwundbar und clever, dass es erst einen gewaltigen Rückschlag braucht, um uns wieder "auf den Teppich" zu holen. Hochmut kommt vor dem Fall. Und die Folge davon ist meist eine neu gelernte Demut. Schade nur, dass der Mensch diese Einsicht meistens nicht ohne den Fall erlangt. Meist lehrt uns das Leben, seine Höhen und Tiefen, eine gewisse Demut vor dem, was wir ohnehin nicht beeinflussen können. Und ich finde, es erfordert auch einen gewissen Mut, diese Demut zuzulassen.

Claudi
Mrs Always Right


PS: Weitere Beiträge zum Thema Demut findet ihr hier unter Bines eigenem Beitrag.

6 Kommentare:

  1. Oh das hast du jetzt aber schön gesagt liebe Claudi! ♥ ...und dem ist nichts weiter hinzuzufügen....
    Liebe Grüße
    Christel

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Vielen lieben Dank für deinen Kommentar, Christel! :)
      Liebe Grüße, Claudi

      Löschen
  2. Ich schleiche schon die ganze Zeit um das Thema und finde keinen Anfang ... nachdem ich Deine Schreibzeit gelesen habe erst recht nicht, Du hast alles gesagt. I'm deeply impressed!

    LG Doris

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ui, vielen Dank! Da werde ich doch glatt rot! :)
      Liebe Grüße, Claudi

      Löschen
  3. Wow, da hast du dir aber echt ganz schön viele Gedanken gemacht und einen tollen Text geschrieben. Und du hast so recht!!!

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Dankeschön für dein Lob, liebe Connie! Ich bin selber fast ein bisschen erschrocken, wie lang der Text am Ende war, aber zu diesem Thema kam ganz schön viel rauf!
      Liebe Grüße, Claudi

      Löschen